Not Banned in D.C.
Ein Gastbeitrag von Robert Rumsfeld
Neulich bekam ich einen Anruf vom selbsternannten Chefredakteur dieser merkwürdigen Zeitschrift,(kurzer Einwurf:Die genannte Zeitung wird betrieben von verwirrten Sektierern,die nichts mit dem Affenzirkus47 zu tun haben,deren Bestrafung steht noch an!!nympho) die es mit der niedrigsten Auflage aller Zeitschrift weltweit sicher ins Guiness-Buch der Rekorde schaffen würde. Jedenfalls meinte er, es fehle seinem Blatt noch so ein bisschen das jugendlich-popkulturelle. Nun bin ich mit Mitte dreißig nicht mehr jugendlich, aber Popper war ich irgendwie dann doch schon immer und so nahm ich diesen Auftrag an.
Der Zufall will es, dass ich mich neulich auf eine Reise begab, die mich in die Lage versetzt, hier und heute der verehrten Leserschaft ¸über ein Britpop-Konzert in Washington D.C. zu erzählen. Und mehr Distinktionsgewinn geht doch gar nicht, als hier so zu tun, man wäre mal so eben im Auftrag des auflagenschwächsten Magazins(nochmal ein Einwurf,es geht hier um diese Retrotypen aus Dessau!!n.) der Welt nach D.C. gejettet, um in einem rauchfreien und klimatisierten Klub einem Konzert der britischen Editors beizuwohnen. Aber, die Leserinnen und der Leser ahnen es schon, die Geschichte hat sich etwas anders zugetragen...
Als stadtbekannter Peacer und Kämpfer für alles Gute erhielt ich die Möglichkeit, an einer Reise durch mehrere Städte der USA teilzunehmen, auf Einladung des State Departments im Übrigen. (Letzteres wird wohl reichen, um von den antiimperialistischen Garden Magdeburgs ein Stadtverbot verhängt zu bekommen. Ich erwähne das hier nur, weil ich als lokalpatriotischer Hallenser in jedem Artikel Magdeburg irgendwie schlecht machen muss, ich kann nicht anders. Erwähnte Antiimp-Gruppe hatte vor geraumer Zeit das Magdeburger Eine-Welt-Haus überfallen, weil dort eine nicht genehme (antideutsche) Veranstaltung stattfand. Die Schließung des örtlichen Nazi-Klubs dagegen überließ man Staat oder besser Stadt, nun ja, auch Antifas müssen Prioritäten setzen...). Aber zurück zur Reise: manch einer mag es befremdlich finden, dass ein Land, dass MilliardenMilliarden Dollar in Hochrüstung steckt, auch ein paar wenige Millionen für ein dem Weltfrieden dienendem Besucherprogramm lockermacht. Dialektisch gesehen natürlich ein hoch interessante Frage, auch für Verschwörungstheoretiker und Machiavellisten ist da einiges drin, der Ossi in mir aber meinte: Einem geschenkten Gaul... genau.
Die erste Station dieser Reise also war Washington D.C., die europäischte und damit langweiligste Stadt der Reise. Ich wollt Hochhäuser sehen. Asi-Hochhäuser. Hochfinanz-Hochhäuser. Obwohl: die Freimaurer haben beim Bau der Stadt ihre Spuren hinterlassen, schon wieder was für Verschwörungsfanatiker. Das Weiße Haus dagegen ist dafür, dass hier, zumindest in der Wahrnehmung schlichter Gemüter, alles Schlechte auf der Welt ersonnen wird, irgendwie klein, zu klein.
Unverständlich ist mir, wie Emo-Gott Ian Mc Kaye (Fugazi, Minor Threat) ausgerechnet in der langweiligsten Großstadt Amerikas Straight Edge erfinden und hier seine Abstinenz auch noch über Jahrzehnte kultivieren konnte. Ich für meinen Teil kann auch ohne lustig sein, aber in D.C. zog es mich in die Bars. Das Local Beer ging gut rein und verfehlte seine Wirkung nicht.
An einem dieser lauen Spätsommerabende begab ich mich zu Fuß also zum 9.30 Club, der in einer „schwarzen“ Gegend liegt, die, wie ich erst später las, als rauh aber charmant gilt. Beides kann ich irgendwie weder bestätigen noch dementieren, mir kam es eher verschlafen vor. Am Einlass erstmal für einen kleinen Stau gesorgt, weil mir nicht sofort einleuchtete, dass man auch als augenscheinlich Mittdreißiger mittels „ID“ nachweisen muss, dass man keine 18 respektive 21 mehr ist.
Eine sehr merkwürdige Angewohnheit der U.S. Amerikaner ist es, auch bei erträglichen Außentemperaturen Räume, Fahrstühle, Bahnhöfe, Autos oder eben auch Rock-Clubs auf gefühlte Kühlschranktemperatur runterzukühlen. Frostige Atmosphäre also, womit ausdrücklich aber nicht die jungen aufgekratzten Menschen gemeint sind. Typisches Indie-Publikum, globalisierter Style, Sie wissen schon, die Mädchen mit Ballerinas, Röhrenjeans und gerade geschnittenem Pony, die Jungs ebenso, nur mit den guten alten Chucks an den Käsefüßchen. Im Gegensatz zur Gegend waren diese fröhlichen jungen Menschen „weiß“. Auf der Bühne bereits eine der beiden Vorbands, Ra-Ra-Riot, in langen wallenden Gewändern, ebenso die Haare, mit Flötenfrau und Gitarrenmann und irgendwie viele. Die Songs eigentlich gar nicht schlecht, aber dieser Aufzug war einfach eine Beleidigung fürs Auge, soviel Intoleranz muss gestattet sein. Eine weitere Band sah zwar besser aus, so 70er Jahre Heavy, aber so war leider auch die Musik. Hardrock. Also wieder nichts. Zwischendurch lief mal ein Sheriff in voller Montur durch die Halle, wohl nachsehen, ob das mit der Altersbegrenzung nach unten auch eingehalten wird und niemand raucht. Die Rauchfreiheit, oder besser die Freiheit vom Rauch, erwies sich im Gegensatz zur Frostmaschine übrigens als angenehm. Nicht in einer Feinstaubhölle stehen zu müssen, als Nichtraucher toll, keine Frage. Dann also endlich die Editors aus Nordengland. Wurde Zeit, ich war jetlagbedingt schon mal kurz weggenickt. Tolle Lichtshow, das einmal vorweg. Die Musik sehr achtziger Gitarrenbands, Joy Division ohne Kühle, U2 ohne Pathos, Interpol ohne aufgesetzten Ober-Style und vor allem: gute Songs.
Bei „Escape The Nest“ dachte ich auch mal an Depeche Mode als Referenz, also auch achtziger, nur das der Editor besser singen kann als Dave Gashahn. Die Musik eignet sich ja nun nicht für ausgelassene Salto und Hockstrecksprünge auf der Bühne und so übten sich Gittarist und Bassist in englischer Zurückhaltung. Der Sänger überagierte manchmal etwas, in dem er wie ein Gummimann seine Arme dem Rücken zu verschränken versuchte. Nun gut, ich will nicht meckern, die Musik war super, die Stimme stellenweise ergreifend, das Licht toll, nur das Washingtoner Publikum hätte etwas enthusiastischer sein können. Möglicherweise Hauptstadtsyndrom? Die Band spielte sich durch ihre zwei Platten, mehr haben sie ja nicht, „An End has a start“, „Munich“ alles dabei, nur das von den Indie-Mädchen heißersehnte „Smokers Outside The Hospital Door“ spielte die Band erst zur Zugabe. Danach hinaus in die warme Washingtoner Nacht. Eigentlich ist die Orientierung mit dem schachbrettartigen Anlage der Straßen ganz einfach, gäbe es nicht auch noch diagonal verlaufende Straßen, so dass ich mich prompt verlaufen habe, um dann irgendwann doch noch erschöpft und glücklich mein Hotel zu erreichen. Und drinnen brummte die Klimaanlage...
(Artikel erscheint dieser Tage in der Printausgabe des Arbeitslosenkuriers 47 (Dessau)....(buhhh,die Spalter!!!!!)